Brüssel, 6. März 2015
I. Kurzanalyse
1. Die Bildung der Syriza-Regierung ist von doppelter Bedeutung:
In Griechenland gilt es, die humanitäre Notlage zu entschärfen, die sozialen Rechte wiederherzustellen und den zerstörten und/oder privatisierten Produktionsapparat wieder aufzubauen.
In Europa gilt es, mit der von allen Regierungen betriebenen Austeritätspolitik zu brechen und innerhalb der Eurozone der Hegemonie des Ordoliberalismus der deutschen Regierung den Kampf anzusagen.
2. Diese beiden schwierigen Aufgaben sind nicht gleich, aber in gewisser Weise bedingen sie einander: ein Misserfolg in einem Bereich würde fast zwangsläufig Machtlosigkeit im anderen Bereich bedeuten. Andererseits brächte ein Sieg im Inneren neuen Schwung für alle Bewegungen in Europa.
3. In der Auseinandersetzung über die Interpretation der Ereignisse ist es daher besonders wichtig, den Konflikt nicht als nationalen („Europa gegen Griechenland“), sondern als sozialen und politischen Konflikt darzustellen: hier die Arbeiter und ihre Familien und dort die Interessen der Financiers, Banken und Großunternehmen, vertreten durch die neoliberalen Regierungen und die europäischen Institutionen.
4. Ein politisches und soziales Engagement zahlreicher Bewegungen und Bürger ist möglich und notwendig. Im aktuellen politischen Konflikt in Europa ist der Widerstand auch nur eines einzigen Landes der erste Schritt hin zu einem Bruch mit der Austeritätspolitik. Niemand zweifelt daran, dass diese erste Schlacht nur der Anfang einer langen Auseinandersetzung ist. Bekanntlich steht die griechische Regierung derzeit mit ihrem alternativen Vorgehen allein auf weiter Flur und ihre Projekte stoßen allerorts auf heftigen Widerstand.
Gelebte Solidarität mit dem griechischen Volk und seinen Organisationen ist doppelt gerechtfertigt:
- Weil wir Solidarität mit den Kampfgenossen und jenen Organisationen, die wir schon lange Zeit unterstützen, zeigen.
- Weil die erfolgreiche Umsetzung der dringenden nationalen Maßnahmen die Handlungsfähigkeit der griechischen Regierung auf europäischer Ebene stärken und Möglichkeiten der Veränderung anderswo in Europa eröffnen würde.
II. Unsere Position
Alter Summit ist ein Netzwerk europäischer Gewerkschaften und sozialer Bewegungen, die gemeinsam gegen die Austeritätspolitik und für ein soziales, ökologisches, feministisches und demokratisches Europa kämpfen. Unsere Vision für die Zukunft Europas haben wir im Manifest von Athen1 festgelegt.
Daraus folgt:
1. Wir unterstützen das griechische Volk und seine demokratische Entscheidung für das Programm von Thessaloniki und gegen die Austeritätspolitik der Troika;
2. Wir unterstützen weiterhin die sozialen Bewegungen und Gewerkschaften in Griechenland in ihrem politischen Kampf gegen die Austeritätspolitik und bei ihren Solidaritätsaktionen;
3. Wir unterstützen die Entscheidungen der griechischen Regierung in ihrem Kampf gegen die Austeritätspolitik und die anti-demokratische Einmischung der EZB, der Kommission sowie des Europäischen Rates und des EcoFin;
4. Wir fordern die Staaten, die Regionen, die Kommunen und auch die Politiker dazu auf, eine Vision der Gesellschaft im Geist des Manifestes von Athen zu unterstützen;
5. Wir fordern die Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die Regierungen der EU-Mitgliedsländer, der Regionen und Kommunen dazu auf, die griechische Regierung in ihrem Recht auf die Umsetzung des Wahlprogramms zu unterstützen und auf jegliche Art von Erpressung und Behinderung ihrer Arbeit zu verzichten;
6. Wir unterstützen und organisieren auch in Zukunft europaweit den Kampf gegen die Austeritätspolitik und für die Demokratie im Bewusstsein, dass die Veränderung in Griechenland keine Bedrohung, sondern vielmehr eine Chance für uns alle darstellt.