Sebastian Franco (Alter Summit & Alliance D19-20), Februar 2015
Sebastian Franco (Alter Summit & Alliance D19-20)
Übersetzung: Kirsten Heininger, Coorditrad
Diese Aktion, wie auch die vergangenen der belgischen D19-20 Allianz zeigen, dass soziale Bewegungen wieder auf europäischer Ebene agieren. In diesem Artikel sollen drei typische Aspekte hervorgehoben werden: die transnationale politische Mobilisierung, das Zusammentreffen unterschiedlicher Akteure und die Ausprägung der Aktionen.
1) Die Aktion vom 19. Dezember hatte eine Reichweite auf europäischer Ebene
Eine der größten Herausforderungen für die sozialen Bewegungen in Europa stellt die Macht dar, mit der sie Einfluss auf die europäische oder sogar die globale Politik nehmen können. Denn heutzutage werden genau auf dieser Ebene immer mehr Entscheidungen getroffen, während die Verbindung Politik-Einfluss der Sozialen Bewegungen und deren Hebelwirkung bisher eher eine nationale oder regionale Reichweite haben.
Die Aktionen der belgischen D19-20 Allianz stellen sich dieser Herausforderung durch die Art der gestellten Forderungen (Nein zur Austeritätspolitik der Europäischen Union und der Freihandelsabkommen vom Typ TTIP/TAFTA), die Ziele der Aktionen (Europarat, Versammlung der 28 Staatschefs der EU oder der europäischen Lobbyisten). Der immer breitere Konsens an der Basis, das gemeinsame Thema ist der Rahmen der Austeritätspolitik, den EU und Finanzwelt uns auferlegen wollen.
Bei der Aktion vom 19. Dezember 2014 hatte das große Medieninteresse Katalysatorwirkung für die internationale Wirkung. Aber die Symbolkraft der Aktion (Einkreisen des europäischen Gipfels und Traktoren, die das Europaviertel in Brüssel an den wichtigsten Kreuzungen blockierten) und das immer aktueller werdende Thema TTIP/TAFTA.
Noch interessanter ist die Bedeutung von Teilnehmerdelegationen aus dem Ausland (10% der Demonstrationsteilnehmer*innen), die nach Brüssel kamen, waren insbesondere aus angrenzenden Ländern. So wird in Zukunft eine noch viel stärkere Mobilisierungen auf transnationaler Ebene vorstellbar, die geographisch nahe ist. (für Brüssel, Nordfrankreich, Westdeutschland, Niederlande…). Eine nächste Stufe wäre dann die internationale Bewegung Blockupy am Rande der Einweihung der neuen Europäischen Zentralbank am 18. März in Frankfurt.
2) Bei dieser Aktion versammeln sich unterschiedliche Gesellschaftsschichten
Zu einem der großen Erfolge der belgischen D19-20 Allianz zählt die Fähigkeit, unterschiedliche politische und soziale Gruppierungen bei den Aktionen zu versammeln. Durch die gemeinsame Mobilisierung aller dieser Gruppierungen wird die Berechtigung der formulierten Forderungen verstärkt und somit kann die Alliance als Vertreterin der gesamten Gesellschaft betrachtet werden. Die Gruppierungen sollen nun nachfolgend erläutert werden:
Die Landwirtschaft: Sie hat die belgische D19-20 Allianz ins Leben gerufen. Ihre Präsenz bei den Aktionen ist aus politischer Sicht sehr wichtig. (damit sich niemand mehr über „immer dieselben Linken, die demonstrieren“ beschweren kann) aber auch was die Auswirkungen der Aktion anbelangt. (zum Beispiel wurden mit 30 Traktoren effiziente Blockaden erreicht, die sowohl visuell als auch akustische Eindruck hinterlassen).
Die Gewerkschaften: Sie sind in Belgien traditionell sehr stark und zu einem Akteur geworden, den man nicht ignorieren kann wenn es um die soziale Mobilisierung in Belgien geht. Die Alliance hat es an diesem Tag geschafft, bestimmte Bereiche der beiden großen belgischen Arbeitnehmerverbände zu mobilisieren. Trotz der großen Annäherung in den letzten Monaten, gab es keine gewerkschaftliche Mobilisierung, die den Erwartungen entsprach. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe: Die Gewerkschaftsorganisationen sind historisch bedingt gegen die belgische Regierung und es schien so, als ob die internationalen/europäischen Themen und die damit verbundenen Aktionen, die von der Alliance vorgeschlagen wurden, zu weit von den Sorgen der Gewerkschafter entfernt waren und einige « liebgewonnene Gewohnheiten » ins Wanken geraten ließen.
Die Vereine/NGO’s: Dieser Bereich ist in Belgien auch sehr wichtig und aktiv. Sie übernehmen die wichtige Aufgabe der Aufklärung und Volksbildung und haben ein großes Potenzial für die Mobilisierung sowohl seitens der Öffentlichkeit mit der die Vereine arbeiten als auch mit den Mitarbeiter*innen aus diesem Sektor.
Nicht-organisierte Bürger*innen und Aktive. In diesem Bereich hat die belgische D19-20 Allianz enorme Fortschritte gemacht und mobilisiert heutzutage aktive Bürger*innen sehr stark. Es gibt ein echtes Bedürfnis nach Mobilisierung bei den unterschiedlichen Schichten der Bevölkerung: Junge Menschen, im Prekariat lebende Menschen etc.
Zu diesen Bereichen gehören die politischen Parteien, die nicht Mitglied der Alliance werden können aber ihre Aktionen unterstützen.
3) Die Aktionen sind ganz unterschiedlich und radikal
Die belgische D19-20 Allianz hat sich von Anfang an für relativ radikale Aktionen ausgesprochen. Statt üblicher Demonstrationszüge kristallisiert sich ein Konsens heraus, bei dem es nicht immer ganz einfach ist, alle unterschiedlichen Strömungen der Alliance zusammenzuhalten. Durch die Praxis und gesammelten Erfahrungen bei den Aktionen kann dieser Konsens den Aktionen nach und nach angepasst werden.
Gewaltloser, ziviler Ungehorsam
Die Aktionen zielen auf die politischen Verantwortlichen ab. Das Ziel ist, sie mit gewaltlosen aber entschlossenen Annäherungen zu belästigen/zu stören.
Unterschiedliche Risikostufen
Um so viele Schichten wie möglich zu mobilisieren, müssen die Aktionen so ausgelegt sein, dass sich jeder mit seinen Ideen, Gewohnheiten und seiner individuellen Risikobereitschaft wiederfindet.
Die belgische D19-20 Allianz hat sich demzufolge zum Ziel gesetzt, einen ausreichend globalen Aktionsrahmen festzulegen um unterschiedliche Aktionsarten zu ermöglichen: vom traditionellen Demonstrationszug bis zum Streikposten über Besetzungen werden alle Aktionen mit aufgenommen.
Eine Massenmobilisierung
Die belgische D19-20 Allianz möchte breite Schichten für ihre Aktionen gewinnen. Wenn diese nämlich zu sehr nur Minderheiten betreffen, sind diese umso stärker einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt. Darüber hinaus gewinnen sie an Glaubwürdigkeit.
Dieser Konsens ist noch in der Entwicklung, denn es ist nicht einfach, ein Gleichgewicht zwischen den sehr unterschiedlichen Akteuren mit ihrem jeweiligen traditionellen Hintergrund zu finden. Fortschritte können jedoch durch gemeinsame Erfahrungen und Vertrauen erzielt werden.
Fazit
Für die sozialen Bewegungen stellen sich sehr großen Herausforderungen für die nächsten Jahre. Sie müssen sich organisieren, da global sehr viel auf dem Spiel steht. Wenn sie Erfolg haben wollen, müssen sie sehr entschieden auftreten und vor allem transnational agieren, und gleichzeitig eine große Vielfalt an Organisations-, Aktions- und Ausdrucksformen zulassen. Die Mobilisierung der belgischen D19-20 Allianz stellt hierbei ein praktisches Labor dar.