Economic Partnership Agreements (EPA) – Wirtschaftspartnerschaftsabkommen

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Seit 2002 verhandelt die Europäische Union (EU) mit den Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP) über „Wirtschaftspartnerschaftsabkommen“. Das sind Abkommen zwischen der EU und regionalen Zusammenschlüssen der AKP-Staaten mit einem gemeinsamen Markt, einem gemeinsamen Außenzolltarif und freiem Warenverkehr innerhalb des betreffenden Gebiets.

Ziel dieser Abkommen ist die Liberalisierung der Handelsbeziehungen zwischen den 28 EU-Ländern und den 77 AKP-Staaten. Wenn solch unterschiedliche Wirtschaftssysteme miteinander in Wettbewerb treten, geschieht dies notwendigerweise zu Ungunsten der Bevölkerung der ärmsten dieser Länder. Damit gerät jegliche Entwicklungsperspektive für die Länder Afrikas, der Karibik und des Pazifiks in Gefahr.

Bis Juni 2000 basierten die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den AKP-Staaten auf einem System von Vergünstigungen, die nicht auf Gegenseitigkeit beruhten, d. h. dass die Mehrheit der industriellen und landwirtschaftlichen Erzeugnisse der AKP-Staaten frei und ohne Gegenleistung auf die europäischen Märkte gebracht werden konnten.

Die Bilanz dieses einzigartigen Handelssystems fällt im Hinblick auf die Entwicklung der AKP-Staaten enttäuschend aus: Obgleich einige Sektoren vom Zugang zum europäischen Binnenmarkt profitieren konnten, sank der Gesamtanteil der AKP-Staaten am europäischen Markt von 6,7 % im Jahr 1976 auf 2,8 % im Jahr 1996. Es kam zu einer sehr starken Spezialisierung der Exporte aus den AKP-Staaten, also zu einer Konzentration auf ein knappes Dutzend, vorrangig landwirtschaftliche, Produkte. Der Industriesektor der entsprechenden Länder hat sich dabei nur wenig oder gar nicht entwickelt und die wirtschaftliche Kraft blieb quantitativ und qualitativ im Hintertreffen. Die europäischen Normen wurden immer strenger, während die Liberalisierung des Welthandels und damit die allgemeine Senkung von europäischen Zollsätzen die wirtschaftlichen Vorteile reduzierten, die diese Länder gegenüber anderen Exporteuren hatten.

Auf europäischer Seite werden die extrem undurchsichtigen Verhandlungen von der EU-Kommission geführt. Eine echte Kontrolle, insbesondere durch die nationalen Parlamente und das Europaparlament, gibt es nicht. Nach Ansicht der EU-Kommission begünstigen die EPA dank des Freihandels und der Schaffung eines attraktiven Investitionsrahmens die Entwicklung: Die AKP-Länder würden dank der Freihandelszonen von den Vorteilen der Handelsentwicklung, vom Wirtschaftswachstum und damit von der wirtschaftlichen Entwicklung und der Verringerung der Armut profitieren. Bekanntermaßen ist aber die Verbindung zwischen Handelsliberalisierung, Wirtschaftswachstum und Entwicklung rein theoretischer Natur. Für die ärmsten Länder kann die Liberalisierung der Märkte dramatische soziale Folgen haben.

Da die EU-Kommission die Unterzeichnung dieser Abkommen um jeden Preis bis Ende 2014 erreichen will, verstärkt sie sogar durch das Aufstellen von Bedingungen für die öffentlichen Förderungen den Druck auf die AKP-Partnerländer, um den Prozess der regionalen Integration voranzutreiben. In den westafrikanischen Ländern haben öffentliche Stellungnahmen von Einzelpersonen und von Organisationen die dort bestehenden Vorbehalte gegen den derzeitigen Inhalt der Verhandlungen deutlich gemacht. Die Versuche einer regionalen Integration befinden sich angesichts der angestrebten Unterzeichnung des EPA derzeit sozusagen „in Geiselhaft“, die Inhalte der Verhandlungen werden umgedeutet und viele regionalpolitische und historische Ansätze umgeworfen.

Die Unterzeichnung der EPA hätte unweigerlich eine Einschränkung der Interventionsmöglichkeiten der AKP-Staaten zur Folge. Die Zölle stellen einen bedeutenden Teil der Einnahmen der Regierungen Westafrikas dar (23 % der Staatseinnahmen in Mali in den Jahren 2002 und 2003, 35 bis 40 % in Benin, durchschnittlich fast 15 % in der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft). Die Unterzeichnung der EPA würde einen Rückgang der Staatseinnahmen und damit eine Verringerung des staatlichen Einflusses mit sich bringen.

Da die EU einer der wichtigsten Lieferanten Westafrikas ist, würde die Liberalisierung des Handels zwischen den unterschiedlichen gemeinsamen Märkten die öffentlichen Haushalte der Staaten vermutlich sehr stark beeinträchtigen. Die Möglichkeiten für Investitionen (sozialer Bereich, Infrastruktur usw.) werden direkt davon betroffen sein und zurückgehen. Eine deutliche Reduzierung der Staatseinnahmen der AKP-Staaten, die nicht an anderer Stelle kompensiert werden kann, hätte dramatische Folgen für die Beschäftigung (öffentlicher Dienst und freie Wirtschaft) sowie für die Grundversorgung (Bildung, Gesundheit, Trinkwasser und Abwasser, Energie usw.) und könnte dazu führen, dass sich die Länder in einer neuen Verschuldungsspirale wiederfinden.

Die EPA stellen auch eine Bedrohung für die Nahrungsmittelsouveränität der AKP-Staaten dar. Für die europäische Wirtschaft sind die Auswirkungen einer Unterzeichnung von Freihandelsabkommen mit den afrikanischen Ländern möglicherweise gering, da die meisten Produkte aus diesen Ländern bereits einen privilegierten Zugang zum EU-Markt haben. Darüber hinaus werden die EPA kaum neue Exportmöglichkeiten für die afrikanischen Länder in Richtung EU eröffnen, da der Zugang zum EU-Binnenmarkt nicht wirklich von Zöllen, sondern eher von der Fähigkeit der Unternehmen abhängt, Erzeugnisse anzubieten, die sich für den europäischen Markt eignen (hinsichtlich Normen, Produktivität usw.).

In Europa ist die Produktivität der Landwirtschaft sehr hoch, die Landwirte erhalten Subventionen und ein Teil der Exporte entfällt auf landwirtschaftliche und industrielle Nebenprodukte (wie beispielsweise Geflügelteile). Dadurch kann Europa Nahrungsmittel zu sehr günstigen Preisen in die AKP-Staaten exportieren. Diese Exporte führen häufig zu starkem Preisdruck auf dem Binnenmarkt der AKP-Staaten zu Lasten der Erzeuger, der landwirtschaftlichen Entwicklung und der Nahrungsmittelsicherheit. Daher müssen die AKP-Staaten ihre Märkte regulieren und schützen können.

Die Öffnung der Märkte für europäische Erzeugnisse hätte ebenfalls negative Konsequenzen für den Industriesektor der AKP-Staaten. Dass es einige wenige AKP-Staaten geschafft haben, eine nationale Industrie aufzubauen, war nur durch eine Politik der wirtschaftlichen Protektion möglich. Die Aufhebung dieser Schutzmaßnahmen hätte unweigerlich negative Auswirkungen auf die Industrie mit schweren Folgen für die Beschäftigungssituation. Die Herausforderung in diesen Ländern besteht jedoch darin, die bestehenden Verarbeitungsindustrien weiterzuentwickeln und das Entstehen neuer Verarbeitungsindustrien zu ermöglichen.

Die AKP-Staaten haben im Übrigen schon einen Großteil ihres öffentlichen Dienstes im Rahmen von Strukturanpassungsprogrammen liberalisiert, was meistens zum Vorteil europäischer Unternehmen geschah. Im Banken- und Versicherungssektor, bei der Telekommunikation, bei der Wasser- und Stromversorgung usw. haben meistens europäische multinationale Konzerne das Sagen oder fast ein Monopol. Die Weiterführung dieser Liberalisierungen im öffentlichen Dienst im Rahmen von EPA, die auch den Bildungs- und Gesundheitsbereich betreffen würde, wird die Kommodifizierung von Dienstleistungen zugunsten des privaten ausländischen Sektors vollenden. Der Wille der EU, die Liberalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens und der öffentlichen Investitionen durchzusetzen, widerspricht übrigens der innerhalb der World Trade Organization (WTO, Welthandelsorganisation) geschlossenen Vereinbarung, diese Bereiche zurzeit nicht in die internationalen Wirtschaftsverhandlungen einzubeziehen.

Im Endeffekt sind die EPA anscheinend von Vorteil vor allem für die wirtschaftlichen Interessen der EU und bestimmter Unternehmen aus den AKP-Staaten, die in die EU exportieren, und von Nachteil für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Mehrheit der Menschen in den AKP-Staaten und die Verringerung der sozialen Ungleichheit.

Aus diesen Gründen müssen wir uns dafür einsetzen, mit den Freihandelsgrundsätzen, auf denen die EPA basieren, zu brechen und die derzeitigen Verhandlungen grundlegend neu auszurichten.

Folgendes muss öffentlich festgestellt werden:

  • Es ist unhaltbar, Ende 2014 für den Abschluss der Abkommen festzulegen.
  • Die Stärkung der regionalen Integration der AKP-Staaten sollte Vorrang haben, ohne Druck von außen, allerdings mit der institutionellen und finanziellen Unterstützung der EU. Verhandlungen über eine regionale Integration sollten viel stärker das Entwicklungsgefälle und die Produktionsstrukturen der betreffenden Länder berücksichtigen.
  • Die EU muss anerkennen, dass die AKP-Staaten ihre Märkte, insbesondere die Agrarmärkte, schützen dürfen, solange es für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung dieser Länder erforderlich ist.
  • Soziale Aspekte sollen in die Verhandlungen einbezogen werden, insbesondere sollen die Beachtung der grundlegenden sozialen Rechte, Programme zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Schulbildung, zur beruflichen Bildung und zur sozialen Sicherung und eine Politik der Umverteilung garantiert werden. Jedes Abkommen zwischen der EU und den AKP-Staaten muss den Vorrang der Menschenrechte und der sozialen Grundrechte vor jeglichem wirtschaftlichen oder finanziellen Interesse garantieren.
  • Eine verstärkte Liberalisierung des Dienstleistungssektors, des öffentlichen Beschaffungswesens und der öffentlichen Investitionen ist abzulehnen. Die EU darf den AKP-Staaten keine Ausweitung der Liberalisierung des Warenverkehrs auferlegen, die bereits von den Ländern Westafrikas bei vorhergehenden Verhandlungen abgelehnt wurde.
  • Es ist notwendig, zusätzliche Mittel für den Europäischen Entwicklungsfonds bereitzustellen, so dass die derzeitigen EU-Hilfen für die sozialen oder produktiven Sektoren nicht reduziert werden, weil finanzielle Hilfen für den Handel oder die Strukturanpassungsmaßnahmen der Wirtschaft der AKP-Staaten verstärkt werden. Die EU muss insbesondere durch zusätzliche Finanzierungsmittel die Kompensation möglicher Einnahmeverluste, die die EPA nach sich ziehen, sicherstellen. Die europäische Unterstützung darf keinesfalls als Tauschobjekt angesehen werden und von der Unterzeichnung der EPA abhängen.
  • Auf allen Verhandlungsstufen soll die Zivilgesellschaft (Gewerkschaften und Bauernorganisationen, Frauenbewegungen, Nichtregierungsorganisationen usw.) angehört und beteiligt werden und die Abgeordneten der AKP-Staaten und der EU-Staaten sollen den Inhalt der Verhandlungen der EPA wirksam kontrollieren können.
  • Die WTO-Regeln sollen neu gestaltet werden, wobei insbesondere die Vorschläge der AKP-Staaten für eine Überarbeitung des Artikels XXIV des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens zu berücksichtigen sind, der die regionalen Freihandelsabkommen behandelt und in den Bestimmungen aufzunehmen sind, die eine differenzierte und auf den jeweiligen Einzelfall zugeschnittene Vorgehensweise ermöglichen.

In diesem Zusammenhang ist Alter Summit der Ansicht, dass die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten der EU, statt EPA abzuschließen, Verhandlungen über Kooperations- und Solidaritätsabkommen, die nicht auf Freihandel basieren, aufnehmen müssen. Solche Abkommen müssten die Verwirklichung der Menschenrechte und insbesondere der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte in den AKP-Staaten zum Ziel haben. Das Recht von regionalen Zusammenschlüssen, ihre Märkte selbst zu regulieren und zu schützen, muss voll und ganz anerkannt werden, vor allem in Bezug auf landwirtschaftliche Erzeugnisse und Nahrungsmittel. Die politische Autonomie der AKP-Staaten und -Regionen und deren Fähigkeit, über finanzielle Ressourcen zu verfügen und die Steuerflucht zu bekämpfen, dürfen nicht eingeschränkt werden, sondern müssen im Interesse der Bevölkerungen gefördert werden.

Von Matthieu Moriamez, CGT (Frankreich), Oktober 2014
Übersetzung: Kerstin Heininger und Werner Horch, coorditrad